2. Etappe

Dobel - Forbach - 26 Km - 23.04.2019





Nach fast einem Jahr durcharbeiten bin ich etwas urlaubsreif. Das Wetter passt und ich entschließe mich die 2. und die 3. Etappe des Westweges weiterzuwandern. Die erste Etappe von Pforzheim nach Dobel habe ich im Oktober 2017 bewältigt, Mann wie die Zeit vergeht. Insgesamt sind es 18 Etappen (West und Ostvariante) nach Basel. Wenn ich in dem Rhythmus weiterwandere komme ich wohl mit dem Rollator in der Schweiz an. Ein Zimmer in Forbach habe ich bereits gebucht, die Anreise zum Startpunkt der 2. Etappe führt mich mit der Bahn von Rot-Malsch über Karlsruhe nach Bad Herrenalb, von dort aus geht’s dann weiter mit dem Bus nach Dobel. Vor lauter Vorfreude löse ich ein Ticket nach Forbach und nicht nach Dobel, ein Fehler der keine Konsequenzen haben wird, da ich in der Bahn nicht kontrolliert wurde und dem redseligen Busfahrer in Bad Herrenalb war's egal. Ich erfuhr, dass er sehr froh über seine Umschulung zum Busfahrer ist, da er seinen ursprünglichen Beruf in der Sicherheitsbranche wegen Rückenproblemen nicht mehr ausführen kann. Er zeigte mir wie man auch als kleiner Mensch einen größeren niederstrecken kann, wenn man nur die richtigen Punkte mit der richtigen Technik bearbeitet. Ich hoffe, dass ich die neu erlernten Kampftechniken nicht anwenden muss und mich die Schwarzwälder einfach friedlich durch ihren Wald wandern lassen. Da es nur wenige Einkehrmöglichkeiten auf der Strecke gibt, ist mein erster Gang in die Bäckerei. Die Familie vor mir, die ich sofort anhand der topmodischen Kleidung als Städter ausgemacht habe, frägt (im Badischen darf man das durchaus mit ä schreiben) nach Maultaschen. Ich schaue mich nochmals um und ja ich bin in einer Bäckerei. Die freundliche Verkäuferin verweist auf die Metzgerei 100 Meter der Straße entlang. Ich vermute mal der Familienvater dachte Maultaschen wären so eine Art Quarktasche. In der Metzgerei treffe ich die Familie wieder. Sie sind extrem begeistert von dem tollen Angebot, fragen interessiert nach den Zutaten und bekommen auch die gewünschten Maultaschen, aha mit Hackfleischfüllung. Ich bekomme den Eindruck, dass sie zum ersten Mal eine Metzgerei betreten haben. Nun bin ich schon längere Zeit nicht mehr aus meinem Dorf herausgekommen, gibt es mittlerweile etwa keine Metzgereien und Bäckereien mehr in der Stadt? Vielleicht kann mir das bei Gelegenheit jemand beantworten, gerne als Kommentar hier im Blog. Der Obsthändler gegenüber wird nun auch noch von uns besucht und nun bin auch ich begeistert über das vielfältige Angebot hier in Dobel, das war am Ende der 1. Etappe noch etwas anders. Um kurz vor 11 stehe ich nun am Sonnentor, dem Einstieg in die 2. Etappe des Westweges. Ich freue mich riesig auf die Strecke und die anstehende Wanderung.

Durch das Tor, nach 50 Meter links und schon steht man am ersten Aussichtspunkt, dem ehemaligen Wasserturm. 140.000 Liter Wasser konnte man in den Behälter im oberen Teil des Turmes pumpen und damit die höher gelegenen Ortsteile von Dobel versorgen. Leider ist er erst ab Mai geöffnet, so dass ich nicht auf die Aussichtsplattform hoch kann, sehr schade. Also geht´s weiter und ich tauche ein in den schwarzen Wald.
Sofort werde ich von den Glücksgefühlen eingenommen, welche von den Bäumen, dem satten Grün und dem reinen Sauerstoff ausgelöst werden. Kraft tanken, Energie aufnehmen, ich bin jetzt noch nicht soweit, dass ich einen Baum umarmen möchte, aber ein paar Anekdoten aus deren langen Leben würden mich schon interessieren. Wie wäre es mit einem kleinen Häuschen direkt im Wald? Nein, lieber nicht, so ganz abgeschieden von der Außenwelt möchte ich nun auch wieder nicht leben. Allerdings muss es schon toll sein, am frühen Morgen zu sehen, wie der Wald aufwacht, sich Nebelschwaden um die Bäume winden, die Rehe grasen oder ein Fuchs neugierig seine Runden zieht.
Heute ist ein schöner Tag und ich bin nicht alleine im Wald. Andere Wanderer, Hundebesitzer, Fahrradfahrer oder Forstarbeiter kreuzen immer mal wieder den Weg, die Waldtiere halten sich versteckt und beobachten das Treiben in sicherem Abstand. Die heutige Etappe ist geprägt von breiten Forstwegen. Das ist mitunter etwas langweilig, allerdings öffnet sich immer mal wieder der Wald und man wird mit einer herrlichen Aussicht beschenkt.
Bad Herrenalb
Gedankenverloren wandere ich langsamen Schrittes durch den Wald und laufe auf eine Hütte zu. Auf der Bank davor sitzen zwei ältere Männer, bewegungslos schauen sie in meine Richtung, ich vermute zunächst, dass es Holzskulpturen sind, doch als ich näherkomme merke ich, dass sich noch Leben in ihnen befindet. Sie sehen nahezu identisch aus, Kopfform, Größe, Gesichtsausdruck, alles gleich, Zwillinge? Ich grüße freundlich und plötzlich hebt sich jeweils marionettenartig die rechte Hand zum Gruß und mit einer fließenden Bewegung senken sich gleichzeitig die Köpfe der beiden Herren absolut synchron leicht nach unten, im Chor ist ein "Grüß Gott" zu hören. Mehr Zwilling geht nicht. Nach dieser wunderbaren Begegnung bin ich die nächsten zwei Stunden alleine mit mir und meinen Gedanken. Die breiten geschotterten Forstwege bieten nur wenig Abwechslung.  Alles mögliche vom Alltag schießt mir in den Kopf und muss nun wohl pilgermäßig verarbeitet werden. Der Wald wird nun wieder etwas urbaner und reißt mich aus meinen Gedanken, ich darf der roten Raute folgend in einen schmalen Pfad eintauchen.

Einige Bäume sind wohl dem letzten Sturm zum Opfer gefallen und versperren den Weg. Ein bisschen Klettern ist angesagt. Kurz vor Kaltenbronn, einer kleinen Häusergruppe, bietet sich nochmals ein herrlicher Ausblick auf ein kleines Schwarzwalddörfchen mitten im Wald.
Im Biergarten des Hotelrestaurants Sarbacher in Kaltenbronn nutze ich die Gelegenheit zur Einkehr und genieße eine supergute Maultaschensuppe. Mehr als die Hälfte der heutigen Etappe habe ich bereits gewandert, ich merke, dass ich dieses Jahr erst spät aus dem Winterschlaf gekommen bin, die Oberschenkel machen sich schon bemerkbar, die Waden ebenso. Aber nichts desto trotz, weitergehts, es wird nicht gejammert im Schwarzwald.




Über die Holzplanken durch das Kaltenbronner Moor, vorbei an dem Hohlohsee geht es nun in Richtung dem ersten Tausender, dem Hohloh, mit seinem Hohloh-Turm (ehemals Kaiser-Wilhelm-Turm, aber der Kaiser hat sich seinen Ruf etwas versaut, so dass der Turm umgetauft wurde). Allerdings muss man den Turm schon besteigen um auf über tausend Meter zu kommen, also hopp hopp die Stufen rauf, auch wenn die Oberschenkel meinen es wäre genug. Die Rundumsicht oben auf dem Turm ist herrlich und entschädigt für die Strapazen.
Nach dem Abstieg vom Turm beginnt nun der Abstieg nach Forbach. Es müssen an die 600 Höhenmeter abwärts bewältigt werden, das geht ganz schön auf die Knie. Am Latschigfelsen ergibt sich ein wunderbarer Blick auf Forbach.
Es tut gut, aus dem Wald zu treten,  ins Murgtal einzutauchen und mit aufrechtem Gang weiterzuwandern. Mit mystischen Geschichten und einer Hexe auf einem Brunnen wird man im Forbacher Ortsteil Gausbach begrüßt. Mein Zimmer habe ich im Hotel Waldhaus gebucht. Es liegt direkt an der historischen Holzbrücke an der Murg. Der freundliche japanische Besitzer hat sich wohl seinen Traum vom Schwarzwaldhotel erfüllt. Eigentlich hat er mir für das Abendessen das Gasthaus Adler empfohlen, aber ich komme nur bis zum Dönerladen, der Hunger ist zu groß. In der Bücherecke im Hotel liegt der 5kg schwere Roman "Krieg & Frieden". Ich nehme den Schmöcker mit aufs Zimmer, nach zwei Seiten bin ich eingeschlafen. Sorry Tolstoi, das liegt an der frischen Schwarzwälder Luft.






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